Ich bin Leyla, ich bin Erzieherin und mache eigentlich noch eine Weiterbildung in Heilerziehungspflege (die ich gerade pausiere, um meine Kinder besser zu unterstützen). Ich liebe einfach alle Menschen. Es macht mir einfach alles Spaß, was etwas mit Menschen zu tun hat – man muss keine enge Bindung haben. Jeder Mensch hat etwas Interessantes für mich. Von allen kann ich was lernen – zum Beispiel will ich wissen, was isst du gerne, was machst du in deiner Freizeit – wie viele Kinder du hast, oder ob du einen Mann hast oder welchen Beruf, das interessiert mich nicht.

Wie würdest Du dich beschreiben?

Ich liebe das Leben. Ich liebe es, einfach zu leben. Wenn ich zum Beispiel ein bisschen Zeit habe, um nach draußen zu gehen oder auf der Bank zu sitzen und Kaffee zu trinken, sage ich, das ist das Leben. Mehr will ich nicht. Zum Beispiel Geld, ein Haus, ein teures Auto – das ist Abhängigkeit. Das will ich nicht. Ich möchte immer mein Leben noch kleiner machen und so noch mehr Freiheit bekommen. Geld ist auch Abhängigkeit, Rauchen ist auch Abhängigkeit, Trinken ist auch Abhängigkeit – und, zu viele Menschen um sich haben kann auch Abhängigkeit sein. Mit sich selber sein, ist gut. Ich kann zum Beispiel mit euch jetzt stundenlang reden, die tiefsten Gespräche haben – aber wenn ich weg bin, dann bin ich weg. Mit anderen Menschen sein, heißt ja auch Verantwortung übernehmen. Sport, Ernährung, Entwicklung eines Menschen, das interessiert mich. Und wenn jemand die gleichen Interessen hat, will ich nur sitzen und zuhören. Wenn er / sie dann sagt, er liest ein schönes Buch – dann will ich das auch lesen.

Wie lange wohnst Du schon in Eidelstedt und was verbindest du mit dem Stadtteil?

Also in Deutschland bin ich seit 13 Jahren und in Eidelstedt seid ungefähr sieben Jahren.

Hast du Lieblingsorte in Eidelstedt?

Also ich habe nicht viel so Zeit, weil ich sehr beschäftigt bin, aber wenn ich Zeit habe, dann mag ich das Niendorfer Gehege sehr gerne. Dann versuche ich mit meinen Kindern öfter dorthin zu gehen und zu picknicken oder Fahrrad zu fahren. Genau, das mag ich. Oder wir haben ja auch das Eidelstedter Zentrum am Marktplatz. Da gibt es auch viele Möglichkeiten, wenn ich mich mit einer Freundin treffen möchte, einen Kaffee trinken. Und ja, da gibt es zum Beispiel eine Bücherhalle. Also da kennen mich alle! Wenn ich Zeit habe und etwas lesen möchte, da gibt es eine Ecke mit einem roten Sofa – das war meine Ecke! Ich habe da oft meinen Kaffee mitgenommen und stundenlang gelesen. Und ein bisschen mit den Mitarbeiterinnen geredet, ich habe Dir gesagt: Ich mag Menschen! Ein bisschen reden, lächeln und tschüss.
Und im Bürgerhaus waren wir auch viel, da haben sie zum Beispiel einmal im Monat, glaube ich, Kino für Kinder. Für nur zwei, drei Euro. Ich finde das wirklich toll, was es in diesem Stadtteil alles kostenlos oder für wenig Geld gibt. Da hatten wir viele Möglichkeiten.

Denkst Du, unsere Stadt hat sich in den letzten Jahren verändert und wenn ja, wie?

Ja, schon, viel. Ich glaube, wenn ich einen Monat nicht am Eidelstedter Platz war und dann wieder komme sind da neue Hochhäuser oder Baustellen. Und natürlich, in vielen Ländern auf der Welt gibt es Krieg und Menschen sind gekommen. Aber ich muss sagen: Ich finde es einfach nur mega super, was Deutschland gemacht hat! Von Herzen sage ich das. Ich war vorher schon aktiv, aber jetzt sage ich: Ich tue für dieses Land, was ich kann. Wenn ich zehn Stunden ohne Pause arbeiten muss, dann werde ich arbeiten. Wie viel Steuern ich auch zahlen muss, das ist für mich egal. Dass dieses Land den Menschen so geholfen hat, das ist einfach besonders.
Natürlich, es gibt jetzt viele Hochhäuser, ok, das ist nicht so schön. Aber manchmal, man muss auch flexibel sein. Man weiß nicht, was im Leben passiert. Zum Beispiel jetzt Corona – wie viele Menschen sind gestorben? Reich, arm, egal, sie sind gestorben. Klar, der Stadtteil hat sich geändert, aber weil wir geholfen haben. Aber ich glaube, wir müssten noch mehr Angebote machen, dass wir einander kennenlernen. Es gibt Kulturkonflikte, klar. Da müssen wir noch lernen. Zum Beispiel wenn ich Kinder habe, die zuhause gelernt haben mit den Händen zu essen – dann zwinge ich sie nicht vom ersten Tag an mit Gabel und Messer zu essen. Erstmal beobachten, gucken, mit der Zeit werden sie schon lernen. Das ist aber eine kulturelle Sache. Nicht sofort alles verurteilen, sondern gucken, lernen. Klar, Menschen sind sowieso schon verschieden, aber Kultur macht auch eine Menge. Aber wir müssen Menschen kennenlernen, auch Migranten sind unterschiedlich. Ich bin selber Migrantin – manche Sachen habe ich von meiner Erziehung gelernt, aber manches von meiner Kultur. Der eine Mensch hat ein gutes Herz, der andere nicht. Aber dazu musst du die Menschen kennenlernen, ein bisschen Respekt haben.

Was bedeutet dann für dich Vielfalt?

Jeder Mensch muss sich selber bewusst sein: Ich bin dieser Mensch und ich will das. Eigentlich haben wir doch alle das gleiche Ziel: Wir wollen glücklich sein. Manche sagen, wenn ich immer reise, bin ich glücklich. Einer sagt, wenn ich Zuhause meine Ruhe habe, dann bin ich glücklich. Aber das Ziel ist immer gleich! Genau das ist es ja, man muss das nur sagen. Du bist anders als ich. Ich bin anders als du. Aber wir können zusammen eine gemütliche Zeit haben und dann Tschüss sagen. Und dann lebst Du dein Leben und ich lebe mein Leben und – wie die Italiener sagen – Basta!
Man muss das Leben so sehen wie Musik und dann einfach den Körper freilassen und mit der Musik mittanzen. Der Körper wird das machen, die Seele wird das machen, die Menschen werden das mitmachen. Nicht immer sich so viel Stress machen, alles so streng sehen. Wenn ich immer alles negativ sehe, dann werde ich krank. Werde ich krank, wird meine Seele auch krank. Und das brauche ich doch nicht! Aber es ist immer ein Unterschied zwischen reden und tun – das ist das Schwierigste, auch das zu tun, was man denkt.

Was bedeutet für dich Solidarität?

Das ist mein Thema! Solidarität ist für mich wie eine grundlegende Regel unserer Gesellschaft, die Basis, an die sollten sich eigentlich alle Menschen halten. Wie zum Beispiel im Verkehr, wenn ich eine rote Ampel sehe, muss ich stehen bleiben. So muss ich, wenn ich sehe, dass ein Mensch Hilfe braucht, auch helfen. Gerade in unserer aktuellen Zeit, muss man solidarisch sein. Aber nicht nur davon sprechen, sondern es auch tun. Ich erwarte eigentlich, dass du mich in ein paar Monaten mal fragst: Und, hast du solidarisch gehandelt? Außerdem hängt Solidarität für mich mit unserer Umwelt, mit unserem gesamten Leben zusammen, auch mit Nachhaltigkeit. Ich will, dass das was ich mache, lange hält.

In meinem Beruf bin ich Vorbild. Das heißt, ich versuche mit meiner Haltung, die Eltern auch zu überzeugen, wie ich mit den Kindern umgehe. Seele, Geist und Leib, sagen wir. Das heißt, die alle müssen sich zusammen entwickeln. Das heißt ich gebe Liebe, aber das ist nicht alles. Wir machen zum Beispiel auch Müllaktionen, dann gehen wir Müll sammeln und ich zeige den Kindern, das gehört in den Mülleimer – die Stadt stellt so viele Möglichkeiten zur Verfügung, seinen Müll zu entsorgen, alle 100 Meter steht ein Mülleimer. Aber leider, leider sieht man trotzdem überall auf dem Boden Müll. Vielleicht kann ich nicht die ganze Gesellschaft ändern, aber das in meiner Umgebung: Also kann ich hier etwas mit den Kindern und ihren Eltern machen, die können dann vielleicht wieder andere Eltern überzeugen – diese Kinder sind unsere Zukunft! Deswegen sagen wir, Politik fängt in der Kita an. Aber natürlich hat es auch etwas mit dem Zwischenmenschlichen zu tun. Ich nehme jeden Menschen wie er ist, das ist für mich ok – aber wenn das Verhalten nicht ok ist, dann muss ich auch etwas sagen. Viele Menschen nehmen das dann persönlich, obwohl ich nur eine Handlung kritisiere – und dann gibt es Streit. Aber als Mensch müssen wir Verantwortung übernehmen, für unser Leben, aber auch das unserer Gesellschaft. Wir können nicht immer wegschauen. Und wenn man das als Kind nicht gelernt hat, dann muss man als Erwachsener gucken und lernen.

Möchtest Du noch etwas sagen?

Wenn man das Glück kennengelernt hat, weiß man was zählt. Ich sage immer zu den Menschen, eigentlich sitzt neben dir dein Glück. Es ist deine Entscheidung, ob du es mitnimmst. Es wird gehen, wenn du es nicht mitnimmst. Dann gehst du immer weiter und dein Glück bleibt zurück, der Abstand wird immer größer. Weil du es nicht mitgenommen und in deine Tasche gepackt hast. Ich nehme mein Glück immer mit mir und dann gehen wir zusammen, egal wohin ich gehe.

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